Friday Checkout: Empathie und Führungswirksamkeit
Braucht Führung Empathie? Wenn ja, warum? Ist das erlernbar? Und: Kann man Empathie auch übertreiben?
Hallo,
wie deutlich nimmst du wahr, wie es den Menschen um dich herum geht? Die meisten von uns haben dafür Antennen, dieses Wahrnehmen der Bedürfnisse der Anderen ist Teil unserer sozialen Natur. Es ermöglicht uns, Beziehungen zu haben, in Gemeinschaften zu leben. Wir nutzen diese Fähigkeit in allen Teilen unseres Lebens. Obwohl: In beruflichen und Führungsrollen herrscht manchmal ein eklatanter Mangel daran.
„Wir sind doch Profis. Es reicht völlig aus, wenn wir sachlich reden. Die ganzen Gespräche um Gefühle und Bedürfnisse addieren keinen zusätzlichen Nutzen.“
Sagt Stefan (Name geändert), als wir darüber sprechen, warum er bei der erwarteten Promotion doch nicht berücksichtigt wurde. Und fügt hinzu: „Mir ist schon klar, dass Menschen sich gesehen fühlen wollen. Aber wenn ich fachlich im Recht bin, dann muss das doch im Vordergrund stehen.” Und etwas leiser: “Es kann doch nicht nur darum gehen, Mitarbeiter zu streicheln.”
Stefan fühlt die Unsicherheit im Umgang mit seinen Mitarbeitenden. Seine logische, analytische Entscheidungsstärke ist die Basis seiner bisherigen Karriere - und gerät zunehmend an Grenzen. Immer wieder merkt er, dass Mitarbeitende seinen Überzeugungen widersprechen. Sich nicht hinter seine Ideen stellen. Und nun auch noch die verpasste Aufstiegschance.
Emphatisch zu führen heißt nicht wischi-waschi. Heißt nicht, Privates in den Vordergrund zu stellen und das Business hinten an. Im Gegenteil. Für mich bedeutet es, die Menschen, die mit mir zusammen unseren Auftrag erledigen (sollen), als Ganzes zuzulassen und einzubeziehen. Sie nicht als “Performance Units” zu sehen (wie es mir ein frühere Manager - zu Recht - vorwarf).
Inzwischen habe ich für mich diese Definition emphatischer Führungshaltung gefunden:
Ich kann die Bedürfnisse meines Gegenübers wahrnehmen.
Ich kann den Bedürfnissen meines Gegenübers Gewicht und Bedeutung geben.
Ich kann die Bedürfnisse meines Gegenübers in mein eigenes Handeln einbeziehen - wenn ich es will.
Warum ist das elementar?
Eine einfache Logik: Jeder von uns entscheidet völlig autonom, welchen Teil unseres Potentials, unserer Leistungsfähigkeit wir der Organisation zur Verfügung stellen. Innerhalb gewisser Bandbreiten - zwischen Mindest- und Höchstleistung - können wir das völlig frei entscheiden. Diese Entscheidung treffen wir alle, jeden Tag neu, und zwar in der Regel unbewusst. So entstehen High Performer, Gut-Leister und manchmal Low Performer.
Wesentlicher Parameter dieser Entscheidung ist unser subjektives Urteil, inwieweit wir als Mensch für die Organisation - repräsentiert durch deren Führungskräfte - eine Rolle spielen. Für unsere tägliche Leistungsentscheidung macht es einen deutlichen Unterschied, ob wir als ganzes Individuum von Bedeutung sind - oder nur unsere “Arbeitskraft” (ein furchtbares Wort aus der Nationalökonomie des 18. Jahrhunderts).
Anders formuliert: Je stärker mein Eindruck, dass ICH - meine Werte, Überzeugungen, Bedürfnisse - für das Handeln der Organisation relevant sind, um so eher fühle ich mich verbunden. Mitverantwortlich. Bereit, mich im täglichen Abwägen meiner Prioritäten FÜR das Engagement zu entscheiden. Oder - im Umkehrschluss - eben nicht.
Im letzten Friday Checkout hatte ich fünf Kernmotivatoren erläutert, auch diese sind sehr relevant für die innere Entscheidung. Eines aber ist sicher: Die frühkapitalistische Logik “Du wirst dafür bezahlt, jetzt leiste auch!” funktioniert immer weniger. Zum Glück.
Was, wenn mir das nicht liegt?
Authenticity first. Versuch nicht, empathisches Interesse an anderen Menschen zu konstruieren, wenn du dieses nicht fühlst. “Pseudo-Empathie” wird schnell dekodiert und bewirkt am Ende genau das Gegenteil: Den Vorwurf der Manipulation.
Jeder besitzt die Kompetenz der Empathie. In anderen Kontexten (Familie, Freunde, Sport, etc.) sind unsere Antennen für Andere in der Regel gut präsent. Nimm diese Situationen bewusster wahr - und versuche, dieses Handeln in den Beruf zu übertragen. Copy & paste ist hier eine gute Strategie.
Sei so transparent, wie es sich für dich gerade noch stabil anfühlt. Sprich mit deinen KollegInnen darüber, womit du dich beschäftigst. Dass du vielleicht manchmal dazu neigst, als Elefant durch den Porzellanladen zu gehen. Und dass du daran arbeiten möchtest. Selbstoffenbarung schafft Nähe - und ist keine Schwäche. Sondern ein ausgeprägtes Zeichen mentaler Stärke.
Hol dir mehr Feedback. Die Menschen um dich herum können viel besser als du selbst beurteilen, wie du auf sie wirkst. Lass sie dir erklären, wie du sie stabilisiert, motivierst - und was möglicherweise frustriert. Deren Leistungsentscheidung eher dämpft.
Ich arbeite gerade an einem Halbtagsworkshop zu diesem Thema, ein Format, das eher kollegiale Beratung als Seminar sein soll. Schreib mir gern, welche Aspekte darin enthalten sein müssten, gern per Kommentar (siehe unten) oder per Mail.
Kann Führung ZU emphatisch sein?
Leider ja. Das ist aber kein Drama: Sobald man sich selbst dabei beobachtet, kann man gegensteuern. Also auch hier wieder: Achte darauf, wohin du deine Aufmerksamkeit ausrichtest. Und justiere gegebenenfalls.
Jede unserer Kompetenzen kann in Stress-, Spannungs- oder Bedrohungssituationen in ein entwertende Übertreibung geraten. Indem wir eine Fähigkeit zu intensiv und zu isoliert nutzen, verliert diese an Wirksamkeit. Wir bemerken das immer, wenn wir schwierige Situationen mit etwas Abstand analysieren (“der Morgen danach”): “Warum habe ich nachgegeben? Warum habe ich nicht das Argument XY gebracht? Warum habe ich nicht auf ein Ergebnis bestanden?” Unsere größten Stärken können in diesen Situationen zu echten Antagonisten werden.
Ich nutze Lumina Spark, um Präferenzen von ManagerInnen sichtbar zu machen. Die Wahl fiel auf dieses Instrument, weil es (neben einigen anderen Vorteilen) unser Handeln nicht nur im Normalbetrieb, sondern auch in Hochbelastungssituationen zugänglich macht. Zeigt sich eine entwertende Übertreibung der Empathie, sollte diese in drei Aspekten bearbeitet werden:
Wie gelingt es, mein eigenes übertriebenes Handeln im Moment des Handelns zu bemerken?
Wie trenne ich den (äußeren) Reiz von meinem (inneren) Reaktionsimpuls?
Welche konkrete Gegenstrategie wähle ich, während ich noch in der Situation bin? Also: Was genau mache ich anders, als bisher?
Die Sache mit der eigenen Aufmerksamkeit
Als ich gerade “Aufmerksamkeit” schrieb, fiel mir wieder ein markiger Motivationsbühnen-Spruch ein:
Where attention goes, energy flows.
Tony Robinson’s Parole wird in verschiedenen Versionen zitiert und ge- oder missbraucht. Mich interessiert daran am meisten der neurobiologische Hintergrund: Je nachdem, worauf wir uns konzentrieren, aktivieren wir unterschiedliche Hirnregionen. Und verstärken diese damit. Gerald Hüther hat das Anfang der 2000er mittels MRT nachgewiesen.
Ich verstehe meine Aufmerksamkeit als ein praktisches Werkzeug. Ich entscheide selbst, worauf ich sie richte und wie ich dadurch wirksam werde. Als Führungskraft und als Individuum.
Ich denke, das Thema der nächsten Ausgabe steht damit. In diesem Sinne: Eine gutes Wochenende!
Kurt Frehe
PS. Der nächste Friday Checkout erscheint am 9. Februar um 14:00 Uhr. Kennst du jemanden, der oder die diese Art Informationen nützlich fände? Leite diese Ausgabe gern weiter, die Registrierung ist hier möglich: