Laos und Lebens-Entscheidungen
Wunsch vs. Realität im Beruf | Der nächste Schritt: Zufall oder bewusste Wahl | Wie es für mich weiter geht
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Ich bin gerade in Luang Prabang im Norden von Laos angekommen. Die Erinnerung an eine Situation drängt sich auf, die ich vor elf Jahren hier erlebte. Meine Zeit als GF bei Tchibo war gerade - nicht ganz freiwillig - zu Ende gegangen und ich war nach Asien gereist, um etwas Ordnung in mein Gedanken- und Gefühlschaos zu bringen.
Eines Morgens kurz vor Sonnenaufgang stand ich am Mekong, um einen im Wasser stehenden Fischer zu fotografieren. Mein Handy klingelt, ein Head Hunter aus Stuttgart möchte wissen, ob ich Interesse an der Geschäftsführung eines Markenartiklers in Süddeutschland hätte. Der Kopf reagierte interessiert; nach dem plötzlichen Exit bei Tchibo hatte ich keinen Anschlussplan. Überraschend aber war, wie deutlich mein Körper protestierte: Während ich dem Vermittler zuhörte, verkrampfte sich etwas in mir, ich schüttelte mich leicht. Mein Inneres sträubte sich in diesem Moment heftig gegen die Idee einer „weiter so“ Karriere. Ich bedankte mich für den Anruf und lehnte freundlich ab.
Was ich damals noch nicht wusste: Ich hatte völlig andere Wünsche, Bedürfnisse hinsichtlich des beruflichen Teil meines Lebens, als weiter Executive Manager zu bleiben. Hätte ich das Angebot angenommen, wäre ich dem, was ich wirklich wollte, wieder einmal nicht gerecht geworden. Und hätte mir damit keinen Gefallen getan, denn:
Je größer die Diskrepanz zwischen unserer Alltagsrealität und dem Leben, das wir wirklich führen wollen, um so größer sind die Spannungen in uns.
Wir alle leben mit diesen Spannungen. Es liegt in der Natur der Dinge, dass Lebens-Wunsch und Alltags-Realität voneinander abweichen. Wenn wir jedoch dauerhaft ignorieren, wie viel Energie wir (unbewusst) für die tägliche Balance zwischen Beidem aufwenden, zahlen wir einen Preis dafür. Für mich war es Zeit, zu handeln. Was mich zum nächsten Punkt führt.
“Kurt, wie kannst du nur…
… jetzt schon zum zweiten Mal einen gut funktionierenden Berufsweg beenden, um etwas völlig anderes zu beginnen?” Diese Frage hatte ich in den letzten Wochen häufiger zu beantworten.
Gemeinhin glauben wir ja, unser heutiger Job - der oft omnipräsente Arbeitsteil unseres Lebens - sei das Ergebnis bewusster Überlegungen und Entscheidungen. Lass mich eine andere Perspektive darauf anregen: Ich denke, unser heutiger Beruf ist eher das Ergebnis von Opportunitäten und Zufällen. Es zeigen sich (ungeplante) Gelegenheiten, wir packen zu, wir geben uns Bestes, wir sind erfolgreich. Die nächste Gelegenheit zeigt sich, wir greifen zu, geben weiter unser Bestes, und so weiter und so fort.
Suchen wir bewusst nach einer neue Aufgabe, gehen wir immer von unseren bisherigen Erfahrungen und Erfolgen aus. Wir grenzen das Suchfenster für die Zukunft mittels der Sicherheiten der Vergangenheit ein. „Eingrenzen“ heißt in diesem Fall, dass wir Anderes, bisher Unbekanntes ausgrenzen. Aber:
Wer sagt eigentlich, dass die beruflichen Opportunitäten und Zufälle der Vergangenheit unsere wirklichen Zukunftsbedürfnisse repräsentieren?
Ich war 20 Jahre lang Manager, weil es sich anbot. Weil ich gefragt wurde. Aber mit jedem neuen Karriereschritt habe ich meine Vergangenheit in meine Zukunft kopiert. Unreflektiert oft, weil es sich wie Erfolg anfühlte. Weil es Anerkennung dafür gab. Heute betrachte ich das als Kopierfehler.
Der LinkedIn Beitrag, in dem ich das Ende meiner Rolle als Business Coach ankündigte (hier nochmal zum Nachlesen), wurde knapp 4.000 mal gesehen. Bekannte und Unbekannte haben mir geschrieben, dass dieser etwas in ihnen ausgelöst hat. Dass sie diese Haltung auch für sich selbst in Anspruch nehmen möchten. Ich glaube, das hat auch mit diesem Kopierfehler zu tun.
Wie geht es (für mich) weiter?
Wenn du bis hierhin gelesen hast, merkst du schon, in welche Richtung die Dinge sich entwickeln. Ich sitze wieder in Laos - diesmal vollkommen mit mir im Reinen - und mache mir darüber Gedanken, womit ich zur Welt beitragen und damit meinen Lebensunterhalt verdienen kann.
Im Coaching erlebten KlientInnen oft erleichternd und befreiend, wenn wir über die Spannung zwischen „Wer bin ich heute?“ und „Wer will ich eigentlich sein?“ sprachen. Dieser Form von Authentizität; dem Annehmen, wer ich wirklich sein möchte, werde ich mich auf eine neue Art nähern. Eher kreativ als kommerziell. Eher visuell-sprachlich, als strukturiert. Eher fühlbar, als kognitiv.
Für mich klärt sich langsam das Bild. Ich empfinde diese Zeit der Transformation als gleichzeitig herausfordernd und beruhigend. Das dominierende Gefühl ist jedoch, in eine Richtung zu gehen, die die meine ist.
Herzlichst,
Kurt.
Übrigens: KURTSNOTIZ ist eine Metamorphose des INMUTO Newsletters “Friday Checkout”. Wenn du die Beiträge zu Führung und Zusammenarbeit vermisst, kannst du dich auf Fortsetzung freuen. Mein INMUTO Partner Klaus Ridderbusch wird diese in Kürze fortführen.
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Einige Tage nach dem Versand dieses Newsletters habe ich dessen Inhalt als Video aufgenommen:
Lieber Kurt, ein super schöner Impuls, der zu meiner aktuellen Lebenssituation passt - auch ich stehe vor der Frage, was ich nach vielen Jahren Management nun eigentlich anstellen möchte. Der Reflex ist in der Tat immer wieder, aufgrund des Erlernten / der bisherigen konkreten Erfahrungen den von Dir so wunderbar als „Kopierfehler“ bezeichneten Weg einfach weiter zu gehen.
Es gibt ein sehr schönes Buch zum Thema „Das Café am Rande der Welt“, in dem sehr ähnlich das Thema bearbeitet wird - und es schlußendlich darauf hinausläuft, sich die Frage nach dem „Zweck der Existenz“ zu stellen. Eine Frage, die schon viele Philosophen gestellt haben - und die einzige plausible Antwort ist, dass das jeder individuell für sich selbst heraus bekommen muss… es gibt nicht „die“ Antwort, aber durch Impulse, wie Deine, findet man vielleicht den Weg zu seiner eigenen Antwort - und dafür ganz lieben Dank. Vielleicht noch ein kleiner Gedanke, den ich mir bei meiner Suche gerade mache - nicht „was mache ich richtig gut / habe ich bisher gut gemacht?“ sondern „über welche Metafähigkeiten verfüge ich eigentlich und was lässt sich damit anstellen?“ Damit wird der Lösungsraum deutlich größer.
Dir lieber Kurt erst einmal weiter viel Erfolg auf Deiner Reise - und ich freue mich schon sehr auf Deinen nächsten Impuls.
LG, Lutz
"Aber mit jedem neuen Karriereschritt habe ich meine Vergangenheit in meine Zukunft kopiert." dazu kam mir grad der Gedanke, wie viele Leute versuchen oder versucht haben (ich auch), ANDERE Karrieren zu kopieren...Es ist einfach so wichtig, zu lernen, wer man ist und was man will.
Kurt, ich wünsche dir alles Gute und vorallem viel inneren Erfolg für den neuen Abschnitt.
LG Marc