Mein Imposter und ich
Wenn der innere Kritiker zu anstrengend wird. Ein Plädoyer für Mut und Selbstvertrauen.
Mein Imposter konnte sprechen. Manchmal sagte er: „Wenn das einmal rauskommt, dass du lange nicht so sicher und souverän bist, wie du gerade tust, dann bist du erledigt.“ Die eigentliche Angst dahinter war jedoch, Menschen zu enttäuschen – ihnen Anlass zu geben, daran zu zweifeln, ob ich ihr Vertrauen wirklich verdiene.
Kürzlich haben Melanie und ich in einer Podcast-Episode (Links weiter unten) darüber gesprochen, auf welch dünnem Eis wir uns in unseren beruflichen Rollen manchmal bewegten. Als wir die Aufzeichnung anschließend anhörten, wurde uns etwas mulmig. Es fühlte sich unangenehm an, Erfahrungen dieser Art öffentlich zu teilen. Aber wir hatten uns ja aus guten Gründen dafür entschieden. Also: Augen zu und durch.
Die Reaktionen darauf waren vielfältig und haben uns nicht überrascht: Hörerinnen und Hörer – auch Menschen, die wir gut kennen – teilten mit uns, dass sie das Impostor-Phänomen nur zu gut kennen. Manche leiden darunter. Ein Grund mehr, eine KURTSNOTIZ dazu zu schreiben.
Wie es wirkt
Das Imposter-Phänomen (deutsch: „Hochstapler“) vermittelt uns das Gefühl, längst nicht so kompetent zu sein, wie wir nach außen wirken. Folgerichtig erscheinen Erfolge erschlichen oder zufällig entstanden – sie stehen uns im Grunde also nicht zu. Lob gebührt uns nicht, wir relativieren es schnell.
Ich erlebe das Phänomen vor allem in Situationen, in denen ich mich (vermeintlich) abhängig von der Beurteilung anderer fühle – wenn es also „um etwas geht“. Es verstärkt sich, wenn ich meinem Gegenüber in der jeweiligen Sache mehr Kompetenz zuschreibe als mir selbst (darin liegt übrigens auch ein Lösungsansatz, siehe unten). Auch in Vergleichssituationen – wenn ich mich also im Wettbewerb mit anderen sehe – klopft mein Imposter an.
Aber ist das nicht das normale Leben?
Befinden wir uns nicht ständig in Situationen, die wir nicht vollständig beherrschen – die uns herausfordern und anstrengen - und die wir trotzdem meistern wollen?
Wie wenig sinnvoll ist es da, uns mit Selbstzweifeln zu beschäftigen, die uns Energie rauben und unsere Handlungsfähigkeit einschränken (Stichwort: Bedrohungsabwehr)?

Im Podcast verknüpft mein Gesprächspartner Markus sein Imposter-Erleben mit dem eigenen Selbstwert. Ich kann das gut nachvollziehen. Je mehr wir den Wert, den wir uns selbst zuschreiben, von der Beurteilung anderer abhängig machen, desto schneller werten wir uns selbst ab.
Sich selbst beim Fühlen beobachten
Meine wichtigste Erkenntnis: Da das Imposter-Phänomen überwiegend unterbewusst getriggert wird, bin ich gut beraten, bewusst darauf zu achten. Also aufmerksam zu sein, wenn es sich zeigt. Diese im Englischen als self witnessing bezeichnete Fähigkeit ermöglicht es,
eigene Gedanken, Gefühle und Körperreaktionen wahrzunehmen, ohne sich von ihnen mitreißen zu lassen. Ohne sie zu bewerten. Wir werden zum Beobachter unseres eigenen Zustands – eine Art stiller Zeuge.
Denn erst, wenn wir diesen Zustand bewusst wahrnehmen, können wir ihn als nicht manifest gegeben hinnehmen, sondern als etwas erkennen, das wir gestalten, beeinflussen, verändern können.
Dieser Prozess erfordert etwas Übung, aber du wirst überrascht sein, wie gut er nach kurzer Zeit funktioniert. Elementar dafür ist die innere Haltung, Imposter-Wahrnehmungen nicht als Schwäche zu interpretieren, sondern als Anstoß, ihnen zu begegnen. Dagegen zu halten.
Dagegen halten
Hier einige Strategien und Methoden, die wir selbst nutzen bzw. die sich in Coaching-Prozessen als hilfreich erwiesen haben:
Die eigene Souveränität klären: Wie abhängig bin ich wirklich von der Beurteilung anderer? Unser Gehirn neigt zur Katastrophisierung – aber in der Regel ist die Realität weniger bedrohlich als unsere Vorstellung davon. Und wenn doch: Es gibt immer einen Plan B!
Das (positive) Außenbild vergegenwärtigen: Ich frage Vertraute nach ihrer Sicht auf mich oder auf eine konkrete Situation. Das Feedback ist immer besser als mein eigenes, Impostor-verzerrtes Bild. Manchmal mache ich mir Notizen dazu, um positive Rückmeldungen später korrekt rekapitulieren zu können. Dr. Nico Rose beschreibt mit Reflected Best Self dazu ein sehr wirksames Tool.
Eigenes Erfolgserleben abrufen: In welchen Situationen haben sich die Imposter-Stimmen als unbegründet erwiesen? Wobei habe ich mich stark und wirksam erlebt? Diese Momente sind eine gute Referenz für mein heutiges Handeln. Und ja: Es ist okay, sich auch heute noch für vergangene Erfolge auf die Schulter zu klopfen!
Fragen stellen, um Situationen besser beurteilen zu können: Imposter lässt sich durch Fakten entkräften. Wenn diese Fakten nicht sofort offensichtlich sind, kann man sie erfragen. Generell führt Fragen zu mehr Erkenntnis – und das wiederum stärkt Stabilität und Souveränität (im Podcast gehe ich auf diesen Punkt ausführlicher ein).
Eigene Unsicherheit (teilweise) sichtbar machen: Es kann sehr entlastend sein, innere Unsicherheit ein wenig offenzulegen. Etwa so: „Ehrlich gesagt, so sicher bin ich mir da gerade nicht. Aber das ist das Beste, was ich aktuell dazu sagen kann.“ Menschen schätzen Ehrlichkeit und Offenheit – mehr als Pokerface und Improvisation.
Im Grunde liegen all diese Strategien in unserem Gestaltungsraum. Hat man dennoch dauerhaft Schwierigkeiten damit und fühlt sich das Imposter-Erleben sehr manifest an, kann professionelles Sparring helfen, den einen oder anderen Knoten zu lösen.
Podcast oder KURTSNOTIZ?
Ich habe nun mehrfach auf die Podcast-Folge verwiesen. Du findest sie auf Spotify, Apple, YouTube und Substack. Wir planen acht bis zehn Episoden pro Jahr. In diesem Zusammenhang habe ich eine Frage:
Die Software, über die sowohl diese KURTSNOTIZ als auch der Podcast distribuiert werden, bietet die Möglichkeit, neue Episoden per E-Mail – also im Newsletter-Format – zu versenden. Bisher habe ich mich nicht getraut, diese Funktion zu aktivieren, obwohl sie der Verbreitung des Podcasts sicher guttun würde.
Wie denkst du darüber – wäre das für dich in Ordnung? Für eine anonyme Abstimmung klicke bitte auf den entsprechenden Button:
Auch heute wieder die Bitte: Kennst du Menschen, die die Lektüre dieser KURTSNOTIZ inspirieren oder anregen würde? Bitte leite diese Mail gern einfach weiter - herzlichen Dank dafür!
Moin Kurt,
ich habe zwar den Podcast noch nicht gehört (irgendwie ist das einfach (noch) nicht mein Medium, aber vielleicht hilft mir der Weg via Mail, den Zugang dazu zu finden - noch ist eher der geschriebene Text das Medium, über das mich Botschaften und Wissen erreichen 😉)
Zu Deinem Impostor musste ich schon ziemlich schmunzeln, den kenne ich nur zu gut aus eigener Erfahrung… aber ich habe Frieden mit ihm geschlossen, denn älter werden hat auch so seine Vorteile…. aus eigener Erfahrung lernt man viel besser, damit umzugehen, eben nicht alles zu wissen, oder in allen Themen der absolute Experte zu sein. Mir haben bei den Friedensverhandlungen mit meinem Impostor zwei Dinge sehr geholfen:
- der Spruch von Sokrates „ich weiß, das ich nichts weiß….“ ja, ist platt, aber hilft dennoch
- meine erste Begegnung mit dem Dunning Kruger Effekt… ja, ich weiß, das Ding ist umstritten, aber die Erfahung zeigt, dass da viel Wahres drin steckt…
Gerade letzterer Punkt hat mir sehr geholfen, meinen Impostor in die Schranken zu weisen, aber er hilft eben auch - er hilft mir, mit gesunden Selbstzweifeln immer wieder mit dem gebotenen Fleiß die richtige Tiefe in meine Recherche / Wissenserwerb zu bringen und eben nicht als selbstbewusster „Dünnbrettbohrer“ durch die Welt zu laufen und Halbwissen an mein Umfeld weiter zu geben, oder Entscheidungen auf einer wackeligen Basis zu treffen - und das ist gut so. Insofern kann man zu seinem Impostor ein gesundes Verhältnis schaffen, der bei der Selbstreflexion unfassbar hilfreich sein kann. Meldet sich der Impostor, hilft offenes Fragen / der Austausch mit dem Umfeld (wie Du es auch beschrieben hast) enorm. Auch der offene Umgang mit der eigenen Unsicherheit, wie Du es auch in die Rezeptur im Umgang mit dem Impostor mit aufgenommen hast, ist nach meiner Erfahrung genau richtig. Der Weg in solchen Momenten ist das eigene Wissen mit den entsprechenden Einschränkungen herauszugeben, aber ich verbinde es mit er Aufforderung an meinen Gegenüber, zum Thema in die Reflexion zu gehen - erfahrungsgemäß ist der Lohn fast immer ein gutes Gespräch 😉
In diesem Sinne - ich freue mich schon auf die nächsten Impulse aus Kurtsnotizen